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Der HERR
segne dich und behüte dich.

 

Der HERR
lasse sein Angesicht leuchten  über dir und sei dir gnädig.

 

Der HERR
hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

 

Numeri 6,24-26

wort + tanz + musik

 

Seit 2001 lesen wir zweimal im Jahr in Sankt Maria in Lyskirchen ein ganzes biblisches Buch. Teile in der jeweiligen Originalsprache. Begleitet von Musik und Tanz. Die Bücher der Offenbarung wirken aus sich – als GottWortErfahrung in die Nacht

Sie sind eingeladen.

Einleitung in das Matthäusevangelium

zur Lesenacht am 10. Mai 2014 in St. Maria Lyskirchen.

Zusammenfassung eines Vortrags von Dr. G. Fleischer

am 20.2.2014 in St. Maria Lyskirchen, Köln

Zusammenfassung von Matthias Schnegg

 

Die unterschiedlichen Evangelien

Das NT hat uns 4 Evangelien überliefert. Obwohl sie – vor allem die Synoptiker Mt, Mk, Lk – überwiegend gleiche Quellen aus der Überlieferung Jesu verwenden, lesen sich ihre Evangelien mit deutlich eigenen Schwerpunkten. Die Evangelisten haben Überlieferungen so redaktionell bearbeitet, dass sie ihrer je eigenen Verkündigungsabsicht dienten.

 

Damit ist klar, dass die Evangelien keine historisch exakte Wiedergabe des Lebens Jesu sein wollen. Sie sind auch nicht als objektives Lehrbuch für alle Christen der Welt gedacht. Sie sind vielmehr von den Evangelisten in ganz konkrete Gemeindesituationen hinein geschrieben worden. Jede der Gemeinden – ob des Markus oder des Matthäus oder des Lukas oder des Johannes – lebte in einer konkreten Glaubenssituation. Die jeweiligen Evangelien geben dahinein Antworten durch die Verkündigung des Evangeliums des Messias Jesus.

 

Situation des Matthäusevangeliums

Das Matthäusevangelium ist vermutlich um 80 im syrischen (‚heidnischen’) Raum geschrieben worden. Es wendet sich an eine Gemeinde von überwiegende judenchristlichen Mitgliedern. Deren Problem scheint es zu sein, auch Heidenchristen in ihrer Mitte zu haben bzw. ob ihnen Zugang zur Gemeinde gewährt werden soll. Der Verfasser des Matthäusevangeliums möchte hier Fronten aufbrechen und der Gemeinde dazu verhelfen, sich zu öffnen für ‚alle Völker’, denen das Evangelium des Christus Jesus gilt. Diese Gemeindesituation bestimmt auch die Dramaturgie der Gestaltung des Matthäusevangeliums.

 

Dramaturgie des Matthäusevangeliums

Über das ganze Evangelium hin entfaltet Matthäus am Beispiel Jesu, wie Menschen zur Erkenntnis gelangen können, dass Israel zwar das auserwählte Volk ist, zu dem Jesus gesandt war, dass aber die Sendung Jesu allen Völkern gilt. Matthäus stellt also den Zusammenhang Jesu zur Heilsgeschichte der Juden heraus. Aber schon am Anfang des Matthäusevangeliums begegnen wir deutlichen Hinweisen auf die Bedeutung der Nichtjuden, der Heiden. Die Magier in der Kindheitsgeschichte sind Heiden, die als erste die Verehrung des Menschensohnes bezeugen. Beim öffentlichen Auftreten Jesu im 4. Kapitel werden die Landstriche der Stämme Sebulon und Naftali genannt. Sie sind eindeutige Hinweise auf die jüdische Tradition. Im 15. Kapitel wird uns die kanaanäische, heidnische Frau begegnen, die um die Heilung ihrer besessen Tochter bittet. Am Ende dieser dramatischen Begegnung lässt Matthäus nun Jesus selbst bewusst werden, dass es der Wille Gottes ist, auch die Heiden mit in die Heilsgeschichte Gottes einzubinden. Am Ende des Evangeliums geht die Sendung des Auferweckten mit Entschiedenheit als Sendungsauftrag der Jesus-Nachfolgenden zu allen Völkern.

 

Die Art der Zeichnung der Person Jesu als Lernfeld im eigenen Gemeindekonflikt

Die lesende/hörende Gemeinde bekommt ein Jesusbild vorgestellt, das ihnen Anreiz sein mag, selbst eine solche Wandlung hin zur Öffnung und Aufnahme der Heidenchristen zu vollziehen. Was der Evangelist als einen Prozess des Sendungsbewusstseins Jesu erzählt, ist keine Beschreibung einer möglichen Erkenntnis des historischen Jesus. Das Evangelium will und kann gar nicht wiedergeben, was der irdische Jesus als Selbstverständnis seiner Sendung durchlebt haben könnte. Der Evangelist erzählt sein Evangelium mit Hilfe seiner bewussten Dramaturgie, um Jesus als Vorbild für die nötige Öffnung der Gemeinde auf die Heidenchristen hin werden zu lassen. Will sagen: Jesus hat auch eine Zeit gebraucht, um aus der Fixierung auf die Juden den Willen Gottes in der Öffnung zu den Heiden zu erkennen.

 

Was Thema der matthäischen Gemeinde war, bleibt nicht begrenzt auf deren historische Situation. Das Thema der Ausgrenzung von Gruppierungen in der Kirche ist ein gebliebenes. Das Matthäusevangelium gibt Wegweisung, sich an Wort und Tat Jesu zu orientieren.

 

Die matthäische Besonderheit der Sendung Jesu

Die Gemeindesituation gibt also vor, wie Matthäus sein Evangelium redaktionell komponiert. Er bringt das durch ihm eigene Besonderheiten zu Ausdruck.

 

1. Besonderheit des Matthäusevangeliums – der Weg der Menschwerdung Gottes und die Gefährdung dieses Weges

 

Der Stammbaum Jesu nach Matthäus (1,1-17)

Matthäus beginnt sein Evangelium mit dem Stammbaum Jesu. Auch dieser Stammbaum ist keine historisch exakte Geschlechterfolge. Der Stammbaum ist sehr bewusst konstruiert, um einerseits Jesus als den Mann in der jüdischen Heilsgeschichte darzustellen, andererseits aber schon anzudeuten, dass diese Heilsgeschichte in ihrer Entwicklung immer wieder gefährdet war. Auch Nichtjuden (Rahab, Rut) ermöglichen, dass die Heilsgeschichte weitergehen kann. Das Ziel der Heilsgeschichte ist das Kommen des Messias Jesus.

 

Der Vergleich mit dem Stammbaum des Lukasevangeliums (3,23-38) lässt schnell erkennen, dass im Vergleich dazu Matthäus eine ganz andere Aussageabsicht mit dem Stammbaum verfolgt. Lukas führt den Stammbaum Jesu von Jesus ausgehend auf Adam und letztlich auf Gott zurück. Lukas bindet Jesus als den Sohn Gottes ein in die Geschichte.

 

Matthäus hat dagegen die Absicht, pointiert Jesus als Bestandteil der jüdischen Heilsgeschichte darzustellen. Daher beginnt er mit Abraham. Mit ihm beginnt die Heilsgeschichte Gottes mit Israel. Drei Epochen der Heilsgeschichte werden dargestellt: Von Abraham bis David, von David bis zur babylonischen Gefangenschaft, nach der babylonischen Gefangenschaft bis Jesus.

 

Die Öffnung zu den Nichtjuden

Wie schon erwähnt, will Matthäus seine Gemeinde zu der Erkenntnis führen, dass auch die Heidenchristen Anteil haben an der Heilsgeschichte Gottes. Für die überwiegend judenchristliche Gemeinde war das vielleicht schwer hinzunehmen. Matthäus hat daher schon früh in seinem Evangelium Hinweise gesetzt, dass auch die Heiden in die Heilsgeschichte Gottes genommen sind – was ja dann Konsequenzen für das Verhalten der Gemeinde herausfordert. Matthäus macht diese Annäherung zur Öffnung dezent, aber unübersehbar.

 

Im Stammbaum Jesu kommt schon eine heidnische Frau vor, die für den Erhalt der Linie des Davids sorgt. In der sogenannten Kindheitsgeschichte lässt Matthäus als erste Anbeter des Messias die Magier aus dem Osten auftreten. Als Sterndeuter sind sie geradezu prototypisch für das Heidnische. Sie sind die ersten, die in der Erzählung des Matthäus dem Messias huldigen – während die Juden skeptisch zurückhaltend bis aufgeregt feindlich reagieren. (Bei Lukas sind es die Hirten, die als erste huldigen. Lukas betont die Bedeutung des Messias Jesus zu den Armen.)

 

Die Sendung Jesu im Spiegel der Verheißungen Israels und der Verehrung durch die Nichtjuden

Matthäus greift in seiner Kindheitsgeschichte auf Jesaja 7,14 zurück. Da wird vom Immanuel gesprochen, der sein Volk von seinen Sünden erlöst. Jesus wird mit dem Namen Immanuel belegt und damit der Erfüllung dieser Verheißung zugeordnet. Schon in den Anfängen seiner Erzählung stellt Matthäus das Spannungsfeld dar: Jesus ist offensichtlich der Immanuel für das jüdische Volk. Verehrt aber wird er von den Heiden...

 

Matthäus spielt mit dieser klaren Darstellung auf die Haltung seiner Gemeinde an, die vermutlich lieber unter sich geblieben wäre, als sich für die Nichtjuden in der Gemeinde zu öffnen. (Dabei ist zu bedenken, wie zäh diese Annäherung geschichtlich verlaufen sein muss, denn einige Jahrzehnte vorher hat Paulus schon heidenchristliche Gemeinde besucht und gegründet.)

 

Der Konflikt in der Gemeinde

Matthäus antwortet auf den Konflikt zwischen judenchristlichen und heidenchristlichen Gemeindemitgliedern vielfältig.

Eine Schlüsselstellung nimmt die Geschichte der Begegnung mit der kanaanäischen Frau (Mt 15,21-28) ein. Sie ist somit Heidin und bittet um Befreiung ihrer Tochter von einem Abergeist.

Matthäus gestaltet diese Begegnung in einer eigenen Dramatik: Die Frau bittet in einer Weise, die dem Jüdischen gerecht wird. Sie erbittet das Erbarmen des Sohnes Davids. Sowohl die Bitte um das Erbarmen als auch die Anrede als Sohn Davids lassen den Respekt gegenüber dem Juden Jesus erkennen. In der Erzählung des Matthäus bleibt Jesus unberührt von dieser Bitte.

  • Er antwortet nicht.
  • Die Schüler Jesu wollen die lästige Frau wegschicken.
  • Die Frau lässt sich nicht wegschicken.
  • Jesus verweist schroff auf seine Sendung nur für Israel.
  • Die Frau wiederholt ihre Bitte.
  • Jesus verschärft seine Ablehnung: ‚Es sei nicht recht, das Brot den Kindern (= Israel) wegzunehmen und es den Hunden (= Nichtjuden) vorzuwerfen.’
  • Die Frau respektiert das, meint aber, dass selbst für die Hunde (= Nichtjuden) etwas vom Tisch des Herrn (= Gott) abfalle.
  • Darauf reagiert Jesus anerkennend. Er rühmt ihren großen Glauben.
  • Und die Tochter wird geheilt.

 

Matthäus hat diese sehr dramatische Konfliktgeschichte zu einem Abbild des Konfliktes der Gemeinde werden lassen. Matthäus stellt einen Jesus dar, der selbst ringen muss um das Verständnis der Nichtjuden im Heilsplan Gottes. Wie die Judenchristen der Gemeinde, die vermutlich keine Annäherung an die Heiden wünschten, die sich selbst genügten.

Erst als Jesus den beharrlichen Glauben der Frau erkennt, erkennt er darin den Willen Gottes selbst. Und er heilt.

Die Gemeinde mag den Willen Gottes begreifen, der Heil für alle Völker will.

 

Wir wissen gar nichts über einen möglichen Bewusstseinsprozess im Leben des historischen Jesus. Wir wissen nicht, wieweit er seine Sendung zunächst wirklich ausschließlich für Israel erkannt hat und dann nach und nach zur Überzeugung gelangt sein könnte, auch für die Nichtjuden bestimmt zu sein. Diese Frage lässt sich überhaupt nicht klären – weil sie im Text des Matthäus auch nicht angelegt ist. Matthäus konstruiert seine Erzählung so, dass die so skeptischen Judenchristen der Gemeinde an Jesus selbst erkennen, wie man aus der Skepsis zu einer Öffnung für die Nichtjuden kommen kann. Die Geschichte erzählt, dass es der Wille Gottes ist, diese Öffnung zuzulassen. Den skeptischen Gemeindemitgliedern wird es erleichtert, in diese Öffnung hineinzuwachsen, wenn sie einen solchen Öffnungsprozess an der Person Jesu nachvollziehen können.

 

Eine über das Evangelium angelegte Einladung zur Entwicklung

Das Matthäusevangelium bringt diese Konfliktsituation zwischen Juden und Heiden immer wieder ins Spiel. So wird im 4. Kapitel das öffentliche Auftreten Jesu mit den klassisch jüdischen Stämmen Sebulon und Naftali verbunden. Im Kapitel 10 werden die Schülerinnen und Schüler Jesu ausdrücklich ‚nicht zu den Heiden’ (10,5) geschickt. Der Missionsauftrag bei Matthäus ist im 10. Kapitel noch eindeutig auf die Juden beschränkt. Im 15. Kapitel – in der Geschichte mit der kanaanäischen Frau – ändert sich diese Perspektive. Am Ende, in 28, 19 sendet der Auferweckte die Jünger Jesu mit aller Selbstverständlichkeit zu allen Völkern.

 

Der Konflikt der Gemeinde auch im Aufbau der Dramaturgie des Evangeliums

Die konkrete Gemeindesituation hat Matthäus auch im Aufbau seiner Erzählung aufgegriffen. Wieder geht es um das Hineinwachsen in die Öffnung, die nach Auffassung des Matthäus dem Willen Gottes entspricht.

 

  • Im 1. Hauptteil spricht Jesus zum jüdischen Volk und finden keine Resonanz.
  • Im 2. Hauptteil zieht sich Jesus zurück in den Jüngerkreis. Wenn er dem Volk begegnet, dann immer in Auseinandersetzungen.
  • Im 3. Hauptteil entlädt sich die Spannung in einer drastischen Auseinandersetzung mit den führenden Vertretern des Glaubens: mit den Pharisäern und Schriftgelehrten.
  • Hier sind auch die Abschiedsreden an die Jünger.
  • Im 4. Hauptteil erleben wir das Ergebnis seines Scheiterns: die Hinrichtung. Aber Gott setzt sich mit seiner Heilsgeschichte durch – in der Auferweckung seines Messias.

 

2. Besonderheit des Matthäusevangeliums in Gefährdung und Rettung der Menschwerdung Gottes

 

Die Gefährdung der Menschwerdung Gottes

Der Fortbestand dieser Heilslinie der Menschwerdung Gottes (in Jesus) war in der Geschichte immer wieder gefährdet. In der Erzählung des Matthäus treten daher vier Frauen auf, die diese Gefährdung auflösten.

Tamar ist die Frau, die durch eine List es ermöglichte, dass der Stamm Juda nicht kinderlos untergehen musste. Der Stamm Juda ist wichtig für die Heilsgeschichte. Aus ihm geht David hervor. Der Messias ist nach jüdischer Vorstellung aus dem Stamm Davids zu erwarten.

Rahab ist die Frau, die für den Bestand des Landes Israels gesorgt hat, indem sie hebräische Spione in Jericho aufnahm. Denn ohne ein Land Israel konnte der Retter nicht in Israel erstehen.

Rut ist eine Heidin, die in besonderer Weise die Tugenden Israels lebte. Sie ist die Urgroßmutter Davids. Der Messias muss der Verheißung gemäß aus dem Stamm Davids erstehen.

Batseba ermöglicht die Erfüllung der Verheißung des Propheten Nathan (vgl. 2 Sam 7,14). Er spricht von dem ‚Haus’, das Gott dem König erbauen wird – das ‚Haus’ ist die Dynastie der Davididen, die ewigen Bestand haben wird. Salomo, das Kind der Batseba, ist der erste König dieser Dynastie. Diese Dynastie hat ewigen Bestand durch den Messias, der aus ihr hervorgehen wird.

 

Am Ende des Stammbaumes stehen Maria und Josef. Maria lässt die Menschwerdung Gottes durch ihr Ja-Wort geschehen. Josef als der aus dem Stamm Davids Stammende bleibt bei Maria. Dadurch ermöglicht er die Erfüllung der Heilsgeschichte für Israel. Der Jude Jesus ist die Erfüllung der Heilsgeschichte Gottes für Israel.

 

Wenn wir die judenchristliche Zuhörerschaft des Matthäusevangeliums mitbedenken, dann finden sie hier eine Bestätigung, dass Jesu Sendung vor allem dem Volk Israel diente. Vor allem – aber nicht ausschließlich ...

 

Gefährdung der Verwirklichung des Himmelreiches

Konkret hält Matthäus seiner Gemeinde vor Augen, dass auch deren Ausgrenzung der Heiden die Menschwerdung Gottes gefährdet. Eine solche Gefährdung kommt nicht möglicherweise von außen auf die Gemeinde zu, sondern droht auch aus dem Binnenkreis der Gemeinde. Die Gefährdung der Menschwerdung Gottes hat etwas mit der Verwirklichung des Himmelreiches zu tun. Das ‚Himmelreich’ ist der Zustand, in dem Gott Herr ist und Menschen und Welt nach seinem Willen leben. Das Problem der Öffnung zu den Nichtjuden ist nicht alleine ein religionssoziologisches Problem. Es geht um die Ausbreitung des Himmelreiches. Das ist keine schöngeistige religiöse Idee, sondern eine für Matthäus sehr bedeutende Handlungsanweisung.

 

3. Besonderheit – die fünf großen Reden

Auch ein Johannesevangelium lässt uns einen viel redenden Jesu erkennen – bei Johannes aber meist im Dialog mit Anderen. Das Matthäusevangelium skizziert Jesus als eindeutig Lehrenden. Die fünf großen Reden lassen alleine Jesus zu Wort kommen.

Matthäus zeigt Jesus wesentlich als einen Lehrenden. Markus lässt Jesus mehr als Wirkenden, Lukas Jesus auch sehr als Betenden erfahren.

 

Keine Lehre, sondern eine Handlungsanweisung

Matthäus lässt den Lehrenden Jesus nicht als Vorträger einer dogmatischen Lehre erscheinen. Ihm geht es nicht um die Darstellung eines gesicherten Lehrgebäudes im Sinne des ‚einzig wahren Glaubens’. Die Lehre Jesu setzt Handlungsanweisungen. Das Christsein entscheidet sich im Handeln.

  • Matthäus lässt Jesus in einer klaren, teils sogar rigoros erscheinenden ethischen Erwartung sprechen.
  • Matthäus geht dabei davon aus, dass die Glaubenden zu diesem Handeln von Gott grundsätzlich schon befähigt sind. Sie sind das Salz der Erde, das Licht der Welt. Sie müssen es nicht erst werden.

 

Die Bergpredigt (Kap 5-7)

Matthäus lässt Jesus vom Berg aus lehren. Er tritt mit der Autorität des Lehrers auf. Das Volk und seine Schüler hören diese Lehre. Am Ende lässt Matthäus die Reaktion der Zuhörerschaft erkennen: Sie erschrecken angesichts dieser Lehre. Im Unterschied zum Jesus des Markusevangeliums hat Jesus nicht erst gehandelt und dann sein Handeln durch seine Lehre bestätigt. Bei Matthäus beeindruckt die Lehre Jesu. In den folgenden Kapiteln 8 und 9 erfahren die Zuhörenden, dass Jesus nicht nur redet, sondern seine Rede auch durch sein Handeln bewahrheitet.

 

Leitgedanke: Gerechtigkeit

Im Matthäusevangelium bekommt der Begriff der Gerechtigkeit Gottes eine zentrale Bedeutung. Er wird schon bei der Taufe Jesu ins Spiel gebracht. Er wird im Evangelium ausgeführt als ein Begriff, der das geforderte Tun zusammenfasst. In 5,20 mahnt der matthäische Jesus, dass die Gerechtigkeit der ihm Nachfolgenden weitaus größer sein müsse als die der Pharisäer und Schriftgelehrten. Wenn wir bedenken, dass zur Zeit Jesu die Pharisäer tatsächlich sehr darauf achteten, die Tora in ihrem Alltagstun zu erfüllen, dann wird das ungeheuere Maß der Anforderung an die Gemeinde spürbar.

 

Die guten Werke

Der Begriff der Gerechtigkeit wird auch mit dem Begriff der ‚guten Werke’ umschrieben. Nach 5,16 sind die guten Werke nicht dazu da, die Besonderheit des handelnden Menschen zu rühmen. Durch die guten Werke soll es den anderen Menschen möglich sein, das Wirken Gottes darin zu erkennen. Ziel der guten Werke ist nicht die Selbsterhebung des Menschen. Die guten Werke lassen das Wirken Gottes erkennen. Die Antwort auf die Erfahrung der guten Werke ist es, Gott dafür zu preisen – Gott, der sich darin in seiner Gerechtigkeit für die Menschen zeigt. In gleicher Linie sind die Anweisungen in 6,1-18 zu verstehen: Wohltätigkeit, Gebet und Fasten dienen nicht der heroischen Selbstdarstellung eines Gutmenschen. Sie öffnen für die Erfahrung der Erkenntnis der Gerechtigkeit Gottes.

 

Handeln und Rückbindung an Gott

Alles Tun ist nach Matthäus zurückzubinden an den, auf den man sich beruft: auf Gott selber. Daher ist die Mitte der Bergpredigt auch ein Gebet, das Vater unser. Das Gebet, die Rückbindung an Gott, und das Handeln bedingen sich demnach gegenseitig. Wenn es im Vater unser z.B. heißt: Dein Wille geschehe – so sagt das, dass ich handle; es muss ein Handeln sein, das mit dem Willen Gottes etwas zu tun hat.

 

  • Die Lehre des matthäischen Jesus zielt eindeutig auf das Handeln, das aus der engen Verbindung mit Gott erwächst.

 

4. Besonderheit des Matthäusevangeliums:
Die Zeit bis zur Vollendung

 

Das Handeln bis zur Vollendung

Die Gemeinde des Matthäus hat erlebt, dass sich die zunächst so sicher geglaubte baldige Wiederkunft des auferweckten Herrn nicht erfüllte. Aus dieser Ernüchterung stellt sich die Frage, wie die Zeit bis zur Vollendung zu gestalten ist. Dazu hat das Evangelium hinreichend Antworten gegeben: Es geht um das Handeln, an dem Gottes Wirken, Gottes Gerechtigkeit zum Heil der Menschen zu erkennen ist.

 

Die Frage nach der Zeit der Vollendung

Es scheint sehr menschlich, dass wenigsten eine Klarheit her sollte, wann – wenn nicht absehbar – die Vollendung erfolgen wird. Zu diesem Fragenkomplex geben die Gleichnisse in Kapitel 24 und 25 Antworten.

Vorab nimmt der Evangelist diese Fragestellung im Anfang des Kapitels 24 auf: Es gibt keine Angabe, wann die Wiederkunft und das Weltenende sein werden. Es gibt auch keine sicheren Zeichen, die dieses Ende unmissverständlich markieren. Jesus warnt im 24. Kapitel, dass es gewiss Zeichen gibt, die man missdeuten könnte als endgültige und gesicherte Zeichen des Weltenendes. Der Menschensohn kommt anders. Sicher ist nur, dass er kommt – mit großer Macht und Herrlichkeit (24,30).

 

Als Haltung in dieser Zeit bis zur Vollendung empfiehlt das Evangelium die bleibende Wachsamkeit. Die Wiederkunft des Messias Jesus wird überraschend geschehen – wie ein Dieb, der unerwartet kommt (24,43f) oder wie der Herr, der seinem ungerechten Knecht zu ungebetener Zeit, früher als erwartet, zur Verantwortung zieht (24,45-51).

 

Auch im Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl (22,1-10) wird dieses Thema angesprochen. Die Eingeladenen kommen nicht. Dann werden Menschen von den Hecken und Zäunen eingeladen. Einer aber kommt in den Blick, der kein hochzeitliches Gewand trägt. Er wird verworfen. Die anderen von den Hecken und Zäunen hatten die gleichen Bedingungen wie der, der verworfen wird. Sie haben sich aber grundsätzlich in Wachsamkeit gehalten (= das hochzeitliches Gewand war zur rechten Zeit offensichtlich da). Sie waren bereit bei der unberechenbaren Wiederkunft des Herrn.

 

Haltungen zur unvorhersehbaren Wiederkunft des Herrn

Über verschiedene Haltungen zur Wiederkunft des Herrn sprechen die Gleichnisse von 24,45 – 25, 46:

Das Gleichnis vom treuen und schlechten Knechts (24,45-51) zeigt auf, dass die Wiederkunft des Herrn früher als erwartet eintreffen kann.

Im Gleichnis von den zehn Jungfrauen (25,1-13) erfahren wir, dass die Wiederkunft des Herrn auch viel später als erwartet eintreten kann.

Das Gleichnis vom anvertrauten Geld (Talente=Zeit) (25,14-30) spricht davon, dass die Zeit zur Ankunft des Herrn sinnvoll zu gestalten ist. Angst vor dem wiederkommenden Herrn kann lähmen. Da wird die Zeit verpasst, die gegeben ist zu einem wirksamen Tun.

 

Weil es auf das Tun ankommt, steht am Ende die Szene vom Weltgericht. Sie fordert auf, jetzt, je heute, zu tun, was zu tun ist. Jesus, der Menschensohn, ist in den Mitmenschen zu erkennen. Wie wir den Menschen begegnen, das erweist sich als entscheidend für ein gelingendes Leben. Das gelingende Leben entfaltet sich da, wo wir die Gerechtigkeit Gottes tun – und dadurch den Vater im Himmel preisen.

 

Der Lebensimpuls des Matthäusevangeliums

Neben der Antwort auf die Problematik verschiedener Gruppen innerhalb der Gemeinde ruft das Evangelium auf, das Leben zu nutzen, das Leben in das Hinter-Jesus-Hergehen einzubringen, mit der Wiederkunft des Menschensohnes zu rechnen und in dieser Wachsamkeit dem Evangelium des Messias Jesus folgend zu handeln. Das Matthäusevangelium stellt hohe ethische Anforderungen. Es hält die Art unserer Begegnung mit dem Mitmenschen für das das Leben Entscheidende. Es dient dem erfüllten Leben. Es dient dem Lobpreis Gottes, dessen Zusage zu gelingendem Leben allen Menschen gilt.