nach Lesung der Literatur zum Verständnis des Markus-Evangeliums: Martin Ebner, Das Markusevangelium, Kath. Bibelwerk, Stuttgart 2008, Walter Klaiber: Das Markusevangelium Neukirchener Verlagsgesellschaft 2010
In diesem Jahr hören wir im Gottesdienst das Markusevangelium. Es ist geschrieben worden, damit Menschen in ihrem Glauben an Jesus, den Messias Gottes, bestärkt werden. Auch wir hören immer wieder Worte der Heiligen Schrift, weil sie uns im Glauben bestärken. Die Evangelien sind die Gegenwart des auferstandenen Herrn, bis er wiederkommt.
Wir hören die Evangelien mit dem Ziel, unser eigenes Leben in der Realität der Welt aus dem Glauben zu deuten. Das beinhaltet ein Hören und ein Tun. Diese Serie in unserem Sonntagsblatt mag eine Hilfe sein, das grundlegende Markusevangelium besser zu verstehen.
Mk hat als Erster die literarische Gattung ‚Evangelium’ verfasst. Er bedient sich mündlicher wie auch schon schriftlich festgelegter Überlieferungen, bringt sie in einen Textzusammenhang, der an eine ‚Vita’ erinnert. Mk will das Evangelium von Jesus, dem Sohn Gottes (Mk 1,1) verkünden.
Der Autor
Wer die Person ‚Mk’ war, weiß man nicht so genau. Gemäß antiker Schriftstellung tritt der Autor mit seiner Persönlichkeit hinter der Botschaft zurück.
Vermutlich ist das Mk in Rom verfasst worden. Es richtet sich weniger an eine konkrete Gemeinde als an Christinnen und Christen allgemein.
Das Mk ist um das Jahr 70 geschrieben worden und stark inspiriert durch die entweder sehr nahe bevorstehende oder schon vollzogene Zerstörung Jerusalems. Das war nicht nur eine politische, sondern vor allem eine religiöse Katastrophe. Die Herrschermacht des Kaisers Vespasian zeigt, wie geschlagen das auserwählte Volk ist. Woher Rettung – vom römischen Besatzer, von weltlichen Mächten – oder?
In der Antike war es üblich, von großen, bedeutsamen Menschen eine ‚Vita’ zu schreiben. Sie diente dazu, diesen Menschen sich selbst zum Vorbild zu nehmen und entsprechend das Leben zu gestalten.
So gab es selbstverständlich von den Kaisern eine ‚Vita’. Mk erdreistet sich, eine Vita eines Mannes zu schreiben, der in einem bedeutungslosen Nest Galiläas geboren und großgeworden ist und als mittelloser Wanderprediger sein Leben gestaltet.
Auch ‚Evangelium’ ist keine neue Erfindung auf Jesus hin. Evangelien, frohe Botschaften, wurden auch vom Kaiser berichtet: Das Evangelium von der Geburt eines Sohnes, das Evangelium vom Geburtstag des Herrschers, von einem Kampfsieg usw.
Mk schreibt seine Heilsbotschaft in Analogie zu den damals üblichen Evangelien z.B. des Kaisers.
Mk verwendet die damals üblichen Stilmittel wie Vita und Evangelium, um dem klassischen Bild des Herrschers dieser Welt das Kontrastevangelium des eigentlichen Herrschers dieser Welt, des Messias Jesus, entgegen zu setzen.
Im Folgenden wird dieser Kontrast verdeutlicht. Allein in der Grundanlage seines Evangeliums spricht Mk seine theologische Botschaft aus: Der wahre Regent der Welt ist Jesus, der Messias. Der wahre Sohn Gottes ist der Messias Jesus und nicht der römische Kaiser.
Feldherrn des Kaisers Vespasian erobert worden. Sein Eroberungsfeldzug begann in Caesarea Philippi.
Mk lässt seinen Messias Jesus ebenfalls von Caesarea Philippi aus dem Weg nach Jerusalem, dem Ort der Erfüllung seiner Sendung gehen. (Mk 8,27)
Markus hat das Bild des Gegen – Mächtigen beschrieben. Der Kaiser erhebt den Anspruch, Gottes Sohn zu sein und entsprechend verehrt zu werden.
Markus verkündet: Der Sohn Gottes ist der in den Augen der Mächtigen der Welt so Ohnmächtige.
Markus ist aber überzeugt, dass sich in diesem so ohnmächtig scheinenden Sohn Gottes die ganze Lebensmacht Gottes offenbart. Gott allein ist es, von dem Leben gegeben und zu erwarten ist.
In Jesu Lebenswege – im Heilen, im Austreiben der Dämonen, in der Tischgemeinschaft des gemeinsamen Essens – offenbart sich der Weg, wie Menschen zum Heil, zu Gott finden.
Neben der Parallele von Inthronisation, Proklamation und Akklamation eines Königs zeichnet das Markusevangelium deutliche Parallelen, die den radikalen Unterschied zwischen dem Heilsanspruch der weltlichen Macht und dem Scheiterungsbild Jesu darstellen. Die erzählte Parallelgeschichte ist die eines Triumphzuges.
In dieser Anti – Zeichnung liegt die Einladung, Jesus als den Herrn der Welt anzuerkennen und seinem Weg zu folgen. Dieser Weg ist in der Überzeugung des Markusevangelium der Weg Gottes zum Leben.
Die Auferweckungsgeschichte des Markus (16,1-8) klingt paradox: Die Frauen erfahren die Botschaft, dass der eigentlich so Ohnmächtige das unendliche Leben von Gott hat. Die Frauen werden
beauftragt, diese Botschaft an die anderen Schüler und Schülerinnen Jesu zu bringen. Sie sollen nach ‚Galiläa’ gehen, wo sie dem Auferstandenen begegnen.
‚Nach Galiläa gehen’ bedeutet: So das Leben zu gestalten, wie es Jesus in Galiläa vorgelebt hat. Das Evangelium schickt zurück in den Text: Dort, im Handeln und Reden Jesu, findet ihr den Weg zum
Leben – nicht nur individuell, sondern auch als Gemeinschaft.
Markus gestaltet seine Auferweckungs- geschichte so, dass die Frauen schweigen.
Die Wahrheit der Botschaft der Auferweckung hängt nicht davon ab, ob Menschen sie verkünden oder nicht. Sie wird aus sich und aus der Kraft des Geistes leben.
Die Botschaft lebt in denen, die als seine Schülerinnen und Schüler hinter ihm hergehen – aus den Erfahrungen von ‚Galiläa’ zu lernen.
Das Hineinwachsen in diese Lebenshaltung braucht persönliches und/oder institutionelles Wachsen. Das ist die Realität aus der Lebenserfahrung, eine Realität, die das Evangelium ausdrücklich aufnimmt. ‚Galiläa’ wird konkret in unseren Diensten und Einrichtungen.
Das Hineinwachsen bedeutet, immer wieder neu das Evangelium zu lesen und sich davon inspirieren zu lassen in der Lebensdeutung – hier: aus dem Evangelium des Markus.
Mk hat bewusst die ‚Kontrast – Vita’ gestaltet – das ‚Kontrast – Evangelium’ mit einer anderen Haltung zur Welt.